Cultural Fit, Arbeitgeberattraktivität, Employer Branding, Candidate Experience – soooo schöne Begriffe! Jedes Unternehmen möchte gut da stehen, attraktiv sein, Bewerber gewinnen. Und wenn es nicht so klappt mit den Bewerbern oder Prozessen oder dem Gewinn oder dem Personal, dann gehen Sie auf die Freelancer zu, die Selbständigen, die Berater, Coaches, Supervisoren und Consultants dieser Welt.

DIE DIENSTLEISTUNGSGESELLSCHAFT BOOMT

„Die Dienstleistungsbranche ist der größte und am schnellsten wachsende Wirtschaftsbereich in Deutschland. Im Jahr 2017 wurden in den Dienstleistungsbereichen rund 69 Prozent der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung generiert. Unternehmensdienstleister tragen mit rund 324 Milliarden Euro dazu bei. Das ist doch was.Und noch viel mehr als das: Sie bringen Innovationen in Unternehmen, die an der einen oder anderen Stelle betriebsblind geworden sind. Sie bringen Know-How mit, aber auch: unternehmerisches Denken, Begeisterungsfähigkeit für Projekte, für den Job, den sie machen. Sonst wären sie ja auch nicht selbständig, wenn sie nicht für das brennen würden, was sie persönlich vertreten.Das sind doch alles schöne Eigenschaften, von denen ein Unternehmen profitiert und bei seinen eigenen Leuten (manchmal auch vergeblich) sucht, (vgl. auch https://hrminspiration.wordpress.com/2017/04/20/recruiting-sind-selbstaendige-die-besseren-angestellten/)

DIE KEHRSEITE DER MEDAILLE

Wenn man ein Unternehmen wirklich kennen lernen will, ich meine so richtig, wie es tickt, wie es mit Menschen umgeht, sollte man zunächst als selbständiger Berater o.ä. dort anheuern. Denn all die schönen Werte, die ein Unternehmen vielleicht gegenüber seinen fest angestellten Mitarbeitern lebt und zeigt, gelten ab diesem Moment eventuell nicht mehr. Klar; am Anfang ist alles sehr, sehr freundlich. Schließlich erwartet das Unternehmen ja etwas von dem „Externen“.

DINGE, DIE ES NIE VON DEN EIGENEN MITARBEITERN ERWARTEN WÜRDE.

Zum Beispiel: Entwickeln Sie ein Tool zur Mitarbeiterauswahl in 7 Tagen. Ändern Sie unsere Führungskultur mit einem Tagesseminar. Machen Sie aus einem renitenten Mitarbeiter ein frommes Schaf mit 4 Stunden Coaching. Schaffen Sie ein neues Beurteilungssystem in 5 Tagen. Besonders liebevoll gehen einige Unternehmen mit Externen um, die sie zunächst erst einmal zu einem “ kostenlosen Kennenlerngespräch“ einladen. Spätestens bei der Frage: „Wir schildern Ihnen mal einen Case:….Wie würden Sie damit umgehen“ sollte man ziemlich schnell laufen – und zwar nach draußen. Dies sind die Spezialisten, die viel Wissen vom Externen erfragen, damit sie es dann selbst machen. Ob das dann gut wird? Egal. Hauptsache, es wird Geld gespart und noch ein bisschen gelacht über die blöden Externen.

APROPOS BLÖD: EXTERNE KOSTEN GELD

Angestellte kosten Geld, das ist bekannt. Aber man sieht es nicht so, es läuft ja alles über die Gehaltsabrechnung. Externe kosten erstaunlicherweise auch Geld. Aber hier sieht man es. Ein Seminar für 2.400 Euro und nur 12 Personen?? Himmel! Das sind 200 Euro pro Person! Purer Luxus! Geht das nicht günstiger? Ein Tagessatz von 2000 Euro? Die Externen müssen ja in Geld schwimmen! Dann kann man ja auch was dafür verlangen.Richtig, liebe Unternehmen, könnt ihr. Ihr dürft fordern, handeln, das gehört dazu. Ihr könnt unrealistische Ziele setzen und wenn die Externen hier nix sagen, müssen sie auch damit leben.

ABER

es geht mal nicht ums Geld. Es geht um die Art und Weise, wie teilweise (ich betone: teilweise, nicht immer, es gibt zum Glück Ausnahmen) mit Externen umgegangen wird. Menschlich, meine ich.

MENSCHLICHKEIT

Gegenüber Externen werden Verhaltensweisen gezeigt, die die ein oder andere Führungskraft niemals gegenüber ihrem Team oder Vorgesetzten zeigen würde. Vielleicht liegt es daran, dass manche glauben die Verantwortung für das Gelingen eines Projektes läge ab jetzt komplett beim Berater. Wenn`s nix wird – der Externe war schlecht. Wenn`s was wird: das haben wir gut gemacht!

Emails werden einfach nicht oder erst sehr spät beantwortet, fallen unter Prio 3. Externe werden auf dem Flur nicht gegrüßt (warum diese Mühe, die sind ja eh bald wieder weg). Zu wichtigen Projektmeetings, die die Externen selbst initiiert haben, werden sie nicht eingeladen (personalisierte Daten, Sie verstehen). Termine werden abgesagt – so kurzfristig, dass man im Flieger, in dem man gerade sitzt, den Pilot bittet, wieder umzudrehen. Oder: Termine werden einfach nicht wahrgenommen. Schön, wenn man tippitoppi vorbereitet im Büro sitzt und der Assistent vom Assistent kommt um zu entschuldigen, dass der Assistent vom Geschäftsführer (mit dem man eigentlich verabredet war) nicht kommt. Ich hörte einmal wie sich „Interne“ unterhielten: „Sollen wir auch die Teilzeitkräfte, Aushilfen und Externen einladen?“ „Neee…die gehlören nicht dazu.“


Externe – wie der Gorilla in „The Monkey Business Illusion„. 

Der Gorilla ist der, der dem Video eine neue Sichtweise gibt. Er ist durchaus präsent, wird aber nicht gesehen. Die Basketballspieler sind mit sich beschäftigt. Zwei Welten, die nicht zusammen spielen. Wie schön wäre es, wenn er einfach mitspielen könnte. Wahrscheinlich würde es der Wirkung des Videos noch nicht einmal einen Abbruch tun.

Wenn die eine „Welt“ die andere nicht wirklich wahrnimmt, geht es auch um verlorene Freude und Wertschätzung. Wer seinen Job gerne macht, freut sich darauf, über Themen zu sprechen, Ideen wachsen zu sehen. Man freut sich, wenn ein Auftraggeber sagt: Toll, ihr neues Tool läuft super, alleine hätten wir es nicht geschafft. Oder „Toll, wir arbeiten jetzt wieder viel besser zusammen“. Es geht nicht um den Wunsch große Dankesreden zu hören. Aber wenn ein Mitarbeiter einigermaßen gute Arbeit leistet, dann hört er doch auch mal ein: „Danke!“ oder ein „Gut gemacht!“. Externe aber, die bekommen, wie gesagt, Geld. Das muss reichen.

WERTSCHÄTZUNG..

..kommt aber in der Regel nicht. Hat man das Ziel erreicht, ist Ende. Ein Abschlussgespräch, das war`s (wenn überhaupt). Menschen, mit denen man monate- oder auch jahrelang korrespondiert und gesprochen hat, zusammengearbeitet, gelitten und gefreut: im großen weiten Wirtschafts-Off verschwunden. Noch besser: wenn die Ziele vor Erfüllung des Vertrages erreicht wurden, hört man – gar nix mehr. Warum soll der Vertrag erfüllt werden, wenn man schon alles bekommen hat? Unfug! Auch hier wieder: es geht nicht um Vertragsrecht, sondern um die Art wie Externe so eine Art „Guter Geist“ spielen, der gerufen wird, aber dann wieder sagenhaft entschwunden wird.

Eine Erklärung mag die Konfliktforschung hierzu geben: es ist bewiesen, dass es große Verhaltensunterschiede gibt, wenn Menschen anderen Menschen begegnen, mit denen sie sich a) mit hoher Wahrscheinlichkeit langfristig herumschlagen müssen oder b) von denen sie wissen, dass man sich relativ sicher nie wieder sieht. Verhalten in Korrelation mit der erwarteten gemeinsamen Zeit sozusagen. Man braucht nur in Hamburg (und wahrscheinlich auch in anderen Städten) zur Hauptverkehrszeit Auto fahren, dann weiß man, was ich mit b) meine.

COLLABORATION! EINE KULTUR DER OFFENHEIT, EGAL, WELCHER VERTRAG DAHINTER STEHT

Wunsch nach Zusammenarbeit, das ist das Stichwort. In unserer VUCA-Welt, in der sich Hierarchien in Netzwerke wandeln, wir international und global arbeiten werden Dienstleister und Unternehmen ohne einander nicht mehr auskommen. Eine Kultur ist also nur dann eine Kultur der Offenheit, wenn jeder, der sich für das Unternehmen engagiert, egal welche Art von Vertrag er hat, willkommmen ist, und sei ein nur für ein Jahr, einen Monat, einen Tag.

ANDERSHERUM

Natürlich weiß ich, dass es Vorbehalte gegenüber „Externen“ gibt. Ich weiß, dass auch andersherum nicht alles gerade läuft und schlechte Erfahrungen mit eine Rolle spielen. Berater ein Auftreten haben, welches gar nicht geht : allwissend, arrogant, überheblich. „Externe“ Gelder in abnormen Höhen fordern, die den entgegengebrachten Leistungen nicht annähernd gerecht werden. Abzocke, Wissen abzapfen, auch das findet hier statt. Ängste vor Veränderungen, Misstrauen gegenüber Leuten, die das Unternehmen gar nicht kennen, alles durcheinander bringen und dann wieder gehen kommen dazu.

Ich weiß auch: eine Verallgemeinerung „die Externen“, „die Internen“, „die Berater“ soll und darf es nicht geben. Aber ich weiß auch aus den guten Erfahrungen:

Wir können viel mehr miteinander erreichen, mit gegenseitiger Wertschätzung und Arbeit auf Augenhöhe, wenn der ganze Statuskram mal bei Seite gelassen wird und man endlich anfängt zu arbeiten, um Lösungen zu kreieren.

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