Veränderungen rufen heute oft nur noch ein Gähnen hervor. „Was, schon wieder?“
„Change“ kann keiner mehr hören. Die Sehnsucht nach Stabilität wird stärker, doch keiner hört sie. Aber warum ist das nur so?
Wirklich gut, der Artikel von Nico Rose, „Das eigene Kind ist niemals hässlich“ im changement-magazin. Es geht um die Sehnsucht nach mehr Selbstbestimmtheit und Veränderungsmüdigkeit.
Ich bin ja schon etwas länger im Business und als wir damals ankündigten: >>Leute, das gesamte Uniklinikum wird auf Links gedreht<< (natürlich etwas einfühlsamer, ist ja klar) wurde postum das hektische Hühnerrennen natürlich ausgelöst. >> Hast Du schon gehört? Was wird jetzt aus uns? Das kann doch nicht sein!usw.<<
Heute, bei der gleichen Ankündigung, würde man mich wahrscheinlich offen angähnen.
>> Ach ja? Wieder mal? Na, denn, viel Glück!<< Denn dieser Mensch hat schon so viel „Change“ erlebt – und überlebt. Und sagt sich: Leute, ich habe so viele CEO´s kommen und gehen sehen, und ich bin immer noch hier – und letztendlich hat sich nicht viel verändert.
Recht hat er. Die Einzigen, die vielleicht noch reagieren, sind die Shareholder. Dafür wird ja auch viel Wirbel gemacht. Aber sonst?
Change lässt uns kalt
Change lässt uns mittlerweile kalt, es sei denn, es geht an die eigene Position. Und da liegt das Problem. Wie soll man Veränderungen wirklich wahrhaftig durchführen, wenn keiner mitmacht, es über sich ergehen lässt, die anderen machen lässt (Aber haltet MICH! da ´raus!). Natürlich, Unternehmen haben es übertrieben. Keine Ruhe, kein Sich-setzen-lassen der vorherigen Changeprozesse. Kaum sind sie geboren, werden sie zur Adoption frei gegeben um Platz zu machen für Neues.
Aber nix machen ist auch blöd. Da verrotten die Unternehmen und sind morgen schon vergessen. Was denn ´nu?
Zielmodell der Selbstbestimmungstheorie
In Anlehnung an den Artikel von Nico Rose etwas Theorie, aber nur kurz, versprochen: Das Zielmodell der Selbstbestimmungstheorie (Grouzet et al., 2005, S. 812) basiert auf der Erkenntnis, dass positive Effekte bei “ intrinsischer Orientierung “ deutlich höher ausfallen. Empirische Studien belegen: Personen, die sich eher an intrinsischen Zielen orientieren, lassen sich signifikant positive Zusammenhänge zu anderen Variablen (z.B. Gesundheit, Wohlbefinden) nachweisen.(vgl. https://www.researchgate.net/figure/Abbildung-4-Zielmodell-der-Selbstbestimmungstheorie-Grouzet-et-al-2005-S-812_fig2_309380683)
So, das war´s auch schon mit der Theorie. Und in der Praxis?
Extrinsische Motivation: Bestechung, Drohung, Verlockung
In den Chefetagen wird beschlossen „Ja! Eine Duz-Kulur muss her! Dann sind wir viel nahbarer, klingen netter, und unsere Teamprobleme lösen sich von selbst!“. Dann wird es weitergegeben an die Führungskräfte: „Hey, Euer Job ist es doch, die Leute zu motivieren!“ Und dann wird jeder motiviert, der nicht bei Drei! auf dem Baum ist. Das Mittel der Wahl ist die sogenannte „Extrinsische Motivation„, d.h. Motivation durch Einsatz von Drohungen, Verlockungen, Verhandlungen nach Jahrmarkt-Prinzip, Bestechungen.
Was anderes ist eine extrinsische Motivation („von außen kommend“) bei näherer Betrachtung ja nicht. „Wenn Du das tust was ich von Dir verlange, dann bekommst Du mehr Geld“ (Bestechung). Oder „Wenn Du das nicht tust, dann gibt es Ärger“ (Drohung). Oder: „Wenn Du heute länger arbeitest, dann bekommst Du nächste Woche frei“ (Verhandlung nach Jahrmarkt-Prinzip). Das das nicht motiviert, sondern nur kurzfristig etwas mehr Tempo in die Sache bringt, ist jedem klar.
These: Es gibt eine extrinische Motivation. Es gibt nur eine Motivation: die Instrinsische.
Gewagte These, zugegeben, und viele Forscher werden aufschreien, haben sie sich doch so schön damit beschäftigt. Aber mal ganz pragmatisch gesprochen: Wann haben Sie jemals dauerhaft und freudig etwas gemacht, weil Ihnen gedroht wurde? Und: Wann haben Sie jemals dauerhaft und freudig etwas gemacht, weil Sie es WOLLTEN? …
Man kann auch furchtbar gut motiviert sein, etwas NICHT zu tun
Um mit dem Motivations-Schwindel auch gleich ganz aufzuräumen: Motivation wird immer gleichgesetzt mit Leistung, mit „in Bewegung kommen“. Aber die Forscher haben eins vergessen: Man kann auch furchtbar gut motiviert sein, etwas NICHT zu tun. Zum Beispiel, sich an Veränderungenzu beteiligen.
Die Lösung
Die Lösung ist einfach: Intrinsische Motivation schaffen. Die Menschen beteiligen. Sie fragen „Was wollt ihr?“ Sie selbst an Lösungen arbeiten lassen und diese Lösungen dann auch umsetzen und nicht sagen „Danke, ganz toll, aber jetzt machen wir das so, wie wir es denken“.
Pseudo-Mitbestimmung
So einfach es klingt, so verwunderlich ist die Tatsache, dass Pseudo-Mitbestimmung doch eher die Regel ist. Als würden die Menschen das nicht merken! Wer einmal eine Mitarbeiterbefragung mitgemacht hat, aus deren Ergebnissen keine Konsequenzen gezogen wurde, macht nächstes Mal entweder gar nicht mehr mit – oder sich einen Spaß daraus. (Ich kreuze jetzt überall „toll“ an, dann werde ich von den nervigen, nichts-bringenden Feedbackgesprächen verschont“.
Warum wird intrinsische Motivation so stiefmütterlich behandelt?
Der Grund, warum intrinsische Motivation so dermaßen ignoriert wird ist die einfache Tatsache, dass sie Zeit und Mühe kostet. Man muss mit den Menschen reden. Ihre Meinung ernst nehmen. Chefetagen-Entscheidungen vielleicht sogar revidieren. Man muss den Menschen Zeit geben, sich an neue Dinge zu gewöhnen. Man muss Möglichkeiten schaffen, dass Mitarbeiter ihre Meinung sagen dürfen, ohne dafür in den Hochsicherheitstrakt der lebenslangen Karriereblockade geworfen zu werden. Dahinter steht dann: Gute Kommunikation zwischen den Abteilungen und Teams, eine Kultur des Vertrauens und nicht der Angst. Organisationsstrukturen, die Innovation erlauben. Kurz: ein Aufräumen der alten traditionellen Denkweise, dass nur der Chef da oben weiß, was gut für das Unternehmen ist. Denn: In keinem der schönen Unternehmensleitbilder habe ich jemals gelesen: „Wir hören unseren Mitarbeitern zu“. Vielleicht wäre das ja mal ein Anfang um die unglaubliche Kraft der intrinsischen Motivation zu entfachen.
Silke Wöhrmann, Dipl.-Kfm., ist seit 2008 Hochschullehrerin, u.a. für Personalpsychologie und Kernkompetenzen sowie Geschäftsinhaberin der APT Human Management. Zuvor arbeitete sie als Stab der Geschäftsführung am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Ihr Buch „Personalmarketing in 3D“ und viele andere Artikel auf Ihrem Blog HRM Inspiration hinterfragen, um neue Gedanken im Bereich Leadership, OE, HRM zuzulassen.