Die jährlichen Mitarbeitergespräche, die aktuell zum Geschäftsjahresschluss in vielen Firmen laufen, ernten oft Kritik: zu formell, zu punktuell, zu viel auf einmal. Wie Unternehmen den Dialog so gestalten, dass er von Nutzen ist, erklärt die Trainerin und Beraterin Silke Wöhrmann.

Haufe Online Redaktion: Immer wieder stehen Mitarbeitergespräche in der Kritik. Der HR-Manager Zhengrong Liu hat sogar gefordert sie abzuschaffen, da sie zu formell und punktuell seien. Stimmen Sie dem zu?

Silke Wöhrmann: Man muss sich zunächst einmal Gedanken machen, was das Unternehmen darunter versteht: Ist das Mitarbeitergespräch nur ein nettes Jahresabschlussgespräch, werden Führungskraft und Mitarbeiter es für nicht so wertvoll halten. Bei standardisierten Mitarbeitergesprächen ist das anders: Diese helfen Unternehmen und Führungskräfte dabei, die Ergebnisse zu erzielen, die man sich aus Personalentwicklungssicht wünscht. Sie sind messbar und die Gesprächspartner wissen, worauf sie sich einstellen müssen.

Haufe Online Redaktion: Liu kritisiert auch, dass sich das Gespräch zu statisch auf einen Termin beschränke. Reicht es denn aus, das Mitarbeitergespräch einmal im Jahr durchzuführen?

Wöhrmann: Aus meiner Sicht definitiv nicht. Die Entwicklung eines Mitarbeiters ist ein kontinuierlicher Prozess. Um diesen Prozess steuern zu können, muss man regelmäßig überprüfen, wie weit die Entwicklung oder ein Ziel oder beides fortgeschritten ist. Wie oft das ist, richtet sich nach dem Unternehmensziel und der Mitarbeiterentwicklung. Bei einem Mitarbeiter, der sehr weit entwickelt, kompetent und motiviert ist, reicht es gegebenenfalls ein- oder zweimal im Jahr. Bei einem neuen Mitarbeiter kann das monatlich sein.

Haufe Online Redaktion: Aber eine Studie zeigt: 58 Prozent der Arbeitnehmer halten es zwar für wichtig, Mitarbeitergespräche mit ihrem Vorgesetzten zu führen – allerdings entsteht bei ihnen oft der Eindruck, die Beurteilung werde willkürlich getroffen. Was läuft in den Unternehmen bei den Mitarbeitergesprächen schief?

Wöhrmann: In vielen Firmen denken Mitarbeiter: Das ist ein  Gespräch, in dem ich beurteilt werde, aber aus dem ich persönlich keinen Nutzen habe. Solch ein Gespräch ist nichts anderes als eine Rückmeldung der Führungskraft an den Mitarbeiter, und zum Schluss darf der Mitarbeiter dann unterschreiben. Das ist nicht im Sinne des Mitarbeiters, weil er unmotiviert in die Gespräche und aus Ihnen heraus geht. Und es gibt keinen Nutzen für die Führungskraft, weil sie vom Mitarbeiter nichts erfährt: Meistens liegt ihr Redeanteil bei 80, 90 Prozent. Und es ist auch nicht als Nutzen für das Unternehmen zu sehen, weil dort keine Ergebnisse für die Zukunft herauskommen, sondern es letztendlich eine reine Vergangenheitsbetrachtung darstellt.

Haufe Online Redaktion: Wie kann man also den Prozess besser gestalten?

Wöhrmann: Man sollte Personalentwicklungsgespräche nicht mehr trennen nach Mitarbeiter-, Zielvereinbarungsgesprächen, netten Jahresabschlussgesprächen und so weiter. Die Führungskräfte sind mit diesen feinen Unterschieden letztendlich überfordert. Ein Gespräch besteht immer aus 4 Komponenten:

1. Unternehmensorientierung (Welche Werte und Ziele tragen zum Unternehmenswachstum bei?)

2. Sachorientierung (Welche Aufgaben und Prozesse stehen dahinter und müssen erfüllt/geändert werden?)

3. Personenorientierung (Welche Lernerfordernisse und Entwicklungsbedürfnisse sind zu berücksichtigen?) und

4. Entscheidung und Kontrolle. (Welche Entscheidung resultiert aus dem Gespräch konkret, wie und wann messen wir, ob die Entscheidung eingehalten und erfüllt wurde?)

Ich nenne das System „Balancierte Führung“, und dabei wird in einem Gespräch jedes Element von 1-4 angesprochen. Was passiert sonst? Wenn ich mich nur auf Unternehmensziele konzentriere, vernachlässige ich  die Situation des Mitarbeiters. Wenn ich mich nur auf die Personalentwicklung konzentriere, wird die Unternehmensseite vernachlässigt.

Ferner ist die Haltung der Führungskraft entscheidend. Eine positive Haltung zeigt sich durch die Elemente

  • Erwartung, dass sich etwas zum Positiven hin verbessern und verändern kann.
  • Keine Wertung.
  • Vom eigenen Vorteil zum Gemeinsamen Vorteil.
  • Von der Vergangenheit zur Zukunft.
  • Vom Allgemeinen zum Spezifischen.
  • Von der Person zum Problem.
  • Vom Beschuldigen zum Ändern.

Daraus folgt das Verhalten:

  • Kommunikationstechnik des Fragens und Zuhörens.
  • Der Bereitschaft anzunehmen und zu danken.
  • Das System gegenseitigen Respekts.
  • Belohnung und Bestrafung vermeiden.(Jede Problemlösung, die jemanden abwertet oder herabsetzt führt nicht weiter)
  • Lob bleibt Lob. Kritik bleib Kritik.

Diese wichtigen Haltungs- und Verhaltensziele bilde ich im Konzept der „Feedforward-Kommunikation“ ab.

Auch muss der Mitarbeiter zu Wort kommen, und er muss auch sich fragen: „Was kann ich tun, um meine Führungskraft zu unterstützen?“ Denn eine Führungskraft ist nicht allein verantwortlich für alles. Führung ist immer eine zweiseitige Geschichte.

Haufe Online Redaktion: Was muss die Führungskraft für ein gutes Mitarbeitergespräch können?

Wöhrmann: Ich denke, dass das Führen eines Mitarbeitergespräches gar nicht so dramatisch ist. Meist reichen 5, maximal 30 Minuten. Es gibt einige Voraussetzungen dafür. Diese sind ganz banal, aber werden in der Praxis häufig vernachlässigt: zum Beispiel, Rahmenbedingungen für das Gespräch zu schaffen, sich auf das Gespräch vorzubereiten und ein Gesprächsziel zu definieren. Ich beobachte häufig, dass Gesprächsziele vermischt werden: Kritik und Lob, Macht, Delegation, Durchsetzen, Entwicklung, Neuanfang, Lösungen, Alternativen…. Das überfordert alle Gesprächsteilnehmer und führt letztendlich nicht weiter. Am Besten: Ein Gesprächsziel definieren, z.B. Lob oder Kritik und konsequent dabei bleiben und nicht die letzten 20 Jahre aufbereiten wollen.

Auch: Die Führungskräfte steigen oft direkt ins Thema ein, aber vergessen dabei häufig übergreifende Werte. „Werte“ zu Beginn eines Gesprächs bedeuten aber für den Mitarbeiter: Ich weiß, wofür ich überhaupt zum Gespräch antrete. Ein Unternehmenswert lautet beispielsweise: „Wir fördern und fordern unsere Mitarbeiter“. Damit der Mitarbeiter sich damit identifiziert, muss die Führungskraft das Gespräch beginnen mit „Herr Müller, unser Wert ist, unsere Mitarbeiter zu fördern und zu fordern. Das Gesprächsziel ist jetzt, einen Entwicklungsplan aufzustellen.“ anstelle von einem vagen „Na, dann wollen wir mal wieder schauen, wie es so war, letztes Jahr.“

Silke Wöhrmann ist Trainerin und Beraterin. Sie ist Geschäftsinhaberin der APT Human Management und geschäftsführende Gesellschafterin der APT Martketing für Bildung GbR.

Das Interview führte Andrea Kraß, Redaktion Personal.

*überarbeitet 11.07.2017

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